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PRODUKTE

Cannabis - Pflanze
Cannabis sativa
Cannabis indica

 

Die Pflanze:

 

Hanf (cannabis sativa Linne) ist eine der ältesten Kulturpflanze. Beinahe alle Pflanzenteile werden genutzt, sei es als Lebensmittel zur Ölherstellung und Ernährung, in der Technik als Seile und Dämmstoffe, aber auch als Medizinalpflanze zur Behandlung vielfältiger Erkrankungen und als Rauschdroge.

 

Bei cannabis sative und Cannabis indica handelt es sich um die gleiche Pflanze deren Inhaltstoffe sich leicht unterscheiden. Sa hat Cannabis sativa eine leicht stärkere Rauschwirkung. Alle anderen Pflanzenteile können gleich verwendet werden.

 

Hanf ist eine zweihäusige Pflanze, es bestehen männliche und weibliche eigenständige Pflanzen. Die weibliche Pflanze ist bedeutend reicher an Wirkstoffen und dort ist der Blütenstand nochmals für die Wirkstoffgewinnung am interessantesten. Allerdings bestehen stets Gehaltsunterschiede unter den einzelnen Pflanzen, wie auch innerhalb der Blüten. Aus diesem Grund werden beim kommerziellen Anbau meistens Stecklinge, die von einer gehaltsreichen Pflanze abgezweigt werden, verwendet. So kann ein möglichst konstanter Gehalt garantiert werden.

 

Im Folgenden werden die pharmakologisch und toxikologisch interessanten Inhaltstoffe betrachtet.

Wild hemp plant. Isolated on a white bac

Cannabis Pflanze

Cannabis_Blüte.jpg

Cannabis Blüte

Cannabis - Inhalt
Cannabis Inhaltsstoffe

 

Die Cannabispflanze bietet sehr viele Ausgangsstoffe, die sich zur Weiterverarbeitung eignen:

 

  • Fasern zur Herstellung von Seilen

 

  • Ölhaltige Samen zu Herstellung Pflanzenölen und Duftstoffe für Kosmetika

 

  • Cannabinoide mit vielfältiger Wirkung.

 

Die meisten Wirkstoffe werden in Drüsenhaaren der Pflanze gebildet, die sich in grosser Zahl bei den weiblichen Blüten befinden.

Im weiteren beschränken wir uns mit den Cannabis-Wirkstoffen, die pharmakologisch und toxikologisch aktiv sind.

 

Substanz-Übersicht:

 

Cannabinoide

 

In der Hanfpflanze befinden sich eine ganze Reihe Phytocannabinoide aus der Gruppe der Terpenphenole. Diese komplexen Wirkstoffe wurden bisher nur in ein bis zwei weitere Pflanzen gefunden, dort aber in viel kleineren Mengen. Die Phytocannabinoide liegen als Carbonsäuren vor, die enzymatisch oder mit Wärme abgespalten werden müssen.

 

Zurzeit sind gegen 200 verschiedener Cannabinoide bekannt. Sie können auch synthetisch hergestellt werden.

 

 

Cannabidiol

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Cannabidiol (CBD) ist das wichtigste nicht psychoaktive Cannabinoid und hat vielfältige medizinische Wirkungen, wie entkrampfendentzündungshemmendangstlösend und gegen Übelkeit. Weitere pharmakologische Effekte werden noch erforscht. Andere Cannabinoide wurden weniger untersucht. Es ist aber möglich, dass sich die Cannabinoide einander agonistisch oder antagonistisch beeinflussen oder modulierend beeinflussen.

 

 

 

Δ9-THC

 

 

 

 

Tetrahydrocannabinol [THC, genauer (–)-Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol] ist die wichtigste psychoaktive Substanz unter den Cannabinoiden.

 

Es gibt vom Δ9-Tetrahydrocannabinol vier Stereoisomere:

 

  • (–)-Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol und (+)-Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol sowie

  • (–)-Δ9-cis-Tetrahydrocannabinol und (+)-Δ9-cis-Tetrahydrocannabinol.

 

Das wesentliche psychoaktiv wirksame Isomer ist das (–)-Δ9-trans-THC (Dronabinol), das 6- bis 100-mal stärker wirksam ist als das (+)-Δ9-trans-THC.[9] Die cis-Formen besitzen keine psychoaktive Wirksamkeit.

 

Die meisten anderen Cannabinoide besitzen keine oder nur eine geringe psychoaktive Wirkung.

 

Andere Inhaltsstoffe

 

In der Pflanze enthalt noch eine Vielzahl Wirkstoffe mit anderer chemischer Struktur, wie Terpene und Flavonoide.

 

Terpene

                                                                (Isopren)

Terpene leiten sich formal von Isopren ab. Sie sind in sehr vielen Pflanzen vorhanden und bilden die Grundstruktur der ätherischen Öle. Sie besitzen eine Vielfalt biologischer und pharmakologischer Wirkungen.

 

Flavonoide

                                                               (Flavan)

 

 

Flavan ist die Grundstruktur der Flavonoide, die häufig für die Farbe der Blüten zuständig ist. Medizinisch wird den Falvonoiden eine antioxidative Wirkung zugeschrieben

 

 

 

Text: Albert Ganz, August 2018

Literatur beim Autor

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Cannabis - Arzneimittel

Cannabinoide als Arzneimittel

Cannabinoide und ihre Anwendung in der Medizin

 

Wir danken Herrn PD Dr. med. Michael A. Überall, Medical Director, IFNAP – private Institute of Neurological Sciences, DGS-Center of Excellence for Health Care Research, für die tabellarischen Übersichten und Zusammenfassungen.

Cannabinoide Uebersicht.PNG

Leider existieren nur wenige Untersuchungen, die die einzelnen Cannabionoide im Vergleich zu Gesamt- oder Teilextrakten betrachten. Interessant ist aber, dass Cannabidiol neben Delta9-THC das am weitesten untersuchte Cannabinoid ist.

Weltweit registriert sind nur eine Handvoll Medikamente.  Es handelt sich dabei um Reinextrakte oder um synthetisch hergestellte Cannabinoide

Cannabis Medikamente.PNG

Nabiximols:

Inhaltssoff: Cannabidiol-Mischung mit Tetrahydrocannabinol, bzw. Eingestellter Cannabis sativa L.-Blätter-, Blüten-Dickextrakt

Markenname: SATIVEX

Nabilon:

Inhaltsstoff: vollsynthetisches Derivat des Δ9-Tetrahydrocannabinols.

Markenname: CESAMET/ CANEMES

Dronabinol:

Inhaltsstoff: (−)-trans-Δ⁹-tetrahydrocannabinol, aus der Pflanze gewonnen oder synthetisch hergestellt

Markenname: DRONABINOL (Freiname)

Cannabidiol:

Inhaltsstoff: Cannabidiol

Markenname: EPIODOLEX, CBD (Freiname, wird auch für Gesamtextrakte ohne THC verwendet)

Text:

Albert Ganz, September 2019

Pharmakologie
Pharmakologie der Cannabinoide

 

 

Einleitung:

Die direkte pharmakologische Beeinflussung von Endocannabinoidrezeptoren ist Gegenstand aktueller Forschung. Da diese jedoch Jahrzehnte lang teilweise verboten oder sehr erschwert war, fehlen uns bis heute viele Erkenntnisse. Das Endocannabinoidsystem ist praktisch so gut wie überall im Körper vorhanden und beeinflusst deswegen auch sehr viele Vorgänge. Diese betreffen sowohl die bekannten psychotropen Wirkungen von THC, Wirkungen auf Hunger/Appetit, wie auch andere Effekte im Nervensystem (siehe THC gegen Schmerzen bzw. Spastik, oder CBD gegen Epilepisie); es hat Effekte auf eine manigfaltige Reihe von Neurotransmittern und Rezeptoren, aber auch Effekte auf Entzündungsvorgänge, Zellteilung, Spermagtogenese und Eizellreifung, Insulinausschüttung, Stoffwechsel etc. Genaugenommen ist es ein Modulationssystem, dass sehr viele Schutzfunktionen wahrnimmt, die auf Basis der psychotropen Wirkungen von THC oft vereinfacht ausgedrückt unter dem Motto: «eat, sleep, forget» bezeichnet werden.

 

Aufgrund seiner ubiquitären Präsenz hat das Endocannabinoisystem eine Involvierung irgendeiner Art in fast jedes Körpersystem. Deshalb findet man aufgrunddessen auch immer irgendwo im Internet irgendeine Anwendung gegen beinahe jede Krankheit. Kritisch betrachtet erfüllt Cannabis diese Anpreisungen als Panaceum (=Allheilmittel) nicht, denn diese haben nicht immer pharmakologische oder pathophysiologische Relevanz, bzw. machen Cannabis und seine Inhaltsstoffe nicht generell zum geeigneten mittel den bzw. die primären Mechanismen einer Erkrankung zu behandeln.


Wir möchten hier die Grundzüge der pharmakologischen Effekte von THC darstellen.
 

Methode:


Da es nur wenige profunde pharmakologische (Fach-)Bücher zu diesem Themenkomplex gibt, wurden hauptsächlich Fachartikel von der Pubmed benutzt, sowie sonstige Bilder zur Illustration dessen aus diesen Publikationen oder von anderen Internetseiten gesucht, die den geschilderten Sachverhalt darstellen. Dies ist ein Informationsartikel, insofern gibt es keine konkreten Resultate oder Forschungsergebnisse darzustellen.


Die Quellenangaben befinden sich jeweils in den betreffenden Abschnitten.


Wirkungsmechanismen von Endocannabinoiden, THC und die Rezeptoren:


Cannabinoide (genauer gesagt: Phytocannabinoide) sind im Grunde nur der Schlüssel, der auf die Rezeptoren des Endocannabinoidsystems passt. Die Hauptrezeptoren sind der CB1-Rezeptor und der CB2-Rezeptor, die sich hauptsächlich durch ihre Verteilung im Körper unterscheiden. (meistens werden sie mit CB1 und CB2, oder mit CB1R und CB2R abgekürzt). Wie die meisten anderen Rezeptoren, sind CB1 und CB2 G-Protein gekoppelt. Als CB3-Rezeptor wird der GPR55 (G-Protein-coupled Receptor) bezeichnet. Endocannbinoide sind Teil des körpereigenen, physiologischen Regulations- und Schutzsystems im ZNS, im Immunsystem und bei der Apoptose.


Verteilung:


Faustregel:
CB1 – ZNS, Organe, Gewebe, Drüsen

CB2 – Peripherie, Immunsystem, und den Organen, die ins Immunsystem integriert sind (Milz, Thymus, Mandeln, im Gehirn wenig

CB1 ist für die Rauschwirkung zuständig, CB2 nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Quelle: https://www.medicalcannabisclinic.com.au/

https://www.medicalcannabisclinic.com.au/cannabinoids/the-endocannabinoid-system/)


Verteilung von CB1 im Gehirn:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(https://www.medicalcannabisclinic.com.au/

https://www.medicalcannabisclinic.com.au/cannabinoids/the-endocannabinoid-system/)


Funktion von CB1-Rezeptoren

CB-Rezeptoren sind G-Proteine gekoppelt, wie weiter oben bereits erwähnt.
Sie besitzen einen retrograden Wirkungsmechanismus d.h. sie signalisieren nicht vom präsynaptischen zum postsynaptischen Neuron, wie die klassischen Neurotransmitter, sondern rückwärts, um dem präsynaptischen Neuron eine Reduktion der Transmitterausschüttung zu signalisieren.

Dazu weiter unten genaueres.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Quelle:

REVIEW Supraspinal modulation of pain by cannabinoids:the role of GABA and glutamate

K Rea, M Roche and DP Finn British Journal of Pharmacology (2007),1–16 https://pdfs.semanticscholar.org/89e1/c8976a099a28fe12fbebd2f190279817b619.pdf?-ga=2.262362508.1697609569.1567150796-672773518.1567150796)


Die wichtigsten Endocannabinoide sind: AEA (N-Arachidonylethanolamin = Anandamid) und 2AG (2-Arachidonylglycerol).


Zum Einstieg eine Vereinfachung:
AEA bindet an CB1-Rezeptoren

2-AG an CB1- und CB2-Rezeptoren


(die Konzentration von 2-AG ist im ZNS ungefähr 200x höher, als die von AEA – Quelle dieser Information: Biochem Biophys Res Commun. 1999 Mar 16;256(2):377-80; Brain regional distribution of endocannabinoids: implications for their biosynthesis and biological function. Bisogno T, Berrendero F, Ambrosino G, Cebeira M, Ramos JA, Fernandez-Ruiz JJ, Di Marzo V.)


THC ist ein partieller Agonist an CB1- und CB2-Rezeptoren.

CBD bindet nur sehr sehr wenig an beide.


AEA wird über FAAH abgebaut (Fatty acid amid hydrolase)

2-AG über MAGL (Monoacylglycerol lipase)


THC und CBD werden über hauptsächlich das CYP450-System abgebaut und in kleineren Mengen auch direkt über die Niere ausgeschieden.


Retrograder Wirkungsmechanismus: D.h. Das postsynaptische Neuron signalisiert dem präsynaptischen Neuron die Transmitterausschüttung zu reduzieren. Die Endocannabinoide werden genau dann dort gebildet, wo und wie lange sie gebraucht werden. Danach werden sie schnell wieder abgebaut. Sie wirken nur kurzzeitig und schützen die postsynaptische Nervenzelle vor Übererregung durch zu starkes Signaling seitens des präsynaptischen Neurons. Somit stellen sie neben der Schutzfunktion wichtige Regulatoren bzw. Modulatoren im Nervensystem und in der Neuroplastizität dar. Je nachdem, ob sie erregende oder inhibierende Neurone hemmen, könne sie inhibierend oder erregend wirken. Man spricht von depolarization-induced suppression of inhibition/excitation, bzw. DSI und DSE. Die Resultate sind: DSI – die Inhibition wird unterdrückt, d.h. es kommt zu Erregung; DSE – die Exzitation wird unterdrückt, d.h. es kommt zu Inhibition.


Das betrifft die Neurotransmitter: Glutamat, GABA, Glycin, Acetylcholin, Noradrenalin, Serotonin Quelle: (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16596780)


Beispiel:

Kontrolle von glutamerger Exzitotoxizität bei traumatischer Hirnverletzung. Über Cannabinoidrezeptoren wird den Zellen, die im Alarmzustand dauerfeuern, was zu toxischer Übererregung führt, signalisiert, ihre Aktivität herunterzufahren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle:

Br J Pharmacol. 2011 Aug;163(7):1402-10

Endocannabinoids and traumatic brain injury.

Shohami E, Cohen-Yeshurun A, Magid L, Algali M, Mechoulam R.

Traumatische Hirnverletzungen gehören zu den führenden Todesursachen bei jungen Erwachsenen. Neben der Hirnverletzung an sich, findet auch eine Ausschüttung, bzw. Akkumulation von schädigenden Mediatoren statt, die zu weiteren, sekundären Schäden führt. Gleichzeitig werden aber auch Schutzmechanismen aktiviert.


Insbesondere in diesem Fall, wo die Hyperexzitation zu starker intrazellulärer Calciumfreisetzung führt; diese ist der Haupttrigger für die on-demand-Synthese von Endocannabinoiden.


eCBs werden als Antwort bei Ereignissen pathogener Natur, wie z.B. Kainsäure induzierte epileptische Anfälle, glutamatinduzierte Toxizität, Trauma, etc. in erhöhter Menge produziert. Das lässt vermuten, dass die kompensatorischen Reparaturmechanismen des Gehirns über das Signalling von CB-Rezeptoren vermittelt werden.


Einfluss von Endocannabinoiden auf das Schmerzsystem
Man sieht es den vollen chemischen Namen der Endocannabinoide bereits an. 2-AG = 2-Acylglycerol (eigentlich 2-Arachidonylglycerol) AEA = Arachidonylethanolamid
Endocannabinoide werden aus Arachidonsäure im entzündeten Gewebe synthetisiert. Sie unterdrücken die Gewebesensibilisierung und Entzündung. D.h. der Körper kann aus entzündungsverursachenden Derivaten der  Arachidonsäure  (COX-LOXKaskaden) gleichzeitig das Entzündungsgeschehen kontrollieren, gleichzeitig können aber auch Endocannabinoide wieder in Arachidonsäure zersetzt werden und weiter der Synthese proinflammatorischer Prostaglandine aus der COX-Kaskade dienen. Somit hat der Körper hiermit ein Feintuningsystem zur Verfügung.


Ausserdem kann er über CB1-Rezeptoren die Weiterleitung des Schmerzes auf verschiedenen Ebenen hemmen und über CB2-Rezeptoren neuroimmune Prozesse der Entzündung und des Schmerzes kontrollieren.
Über CB2-Rezeptoren auf Immunzellen ist eine unterdrückende Modulation des Entzündungsgeschehens möglich. Diese hemmen die Produktion und Freisetzung von inflammatorischen Mediatoren.


Endocannabinoide in der Schmerzleitung:
CB1-Rezeptoren sind ebenfalls in den sensorischen und nozizeptiven aufsteigenden der Spinalganglien (dorsalen Wurzelganglien) vorhanden
Bei Schmerzen werden an der Entstehungsstelle und in der Weiterleitung einige TRPs aktiviert. TRPV1, A1, V4 (Transient Receptor Potential)
Dabei handelt es sich um nicht selektive Kationen-Kanäle (die manchmal als ionotrope Cannabinoidrezeptoren bezeichnet werden, da sie ligandengesteuerte Ionenkanäle sind, und nicht gProtein gekoppelt), die bei der Nozizeption aktiviert werden. TRPV1 könnte man auch den ChiliRezeptor nennen. Er wird durch Capsaicin aktiviert. Allerdings infolge von Daueraktivierung desensibilisiert. Aktivierung führt zu Calcium- und Natriumeinstrom und Stimulation der Nervenzelle. THC ist ein Agonist an TRPV1 (und Capsaicin ebenso). Die Aktivierung dieser TRPs wird durch durch Endocannbinoide hautptsächlich über CB1- Rezeptoren kontrolliert. Sie aktivieren TRPVs und desensibilisieren sie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle Bild:

Topical capsaicin for pain management: therapeutic potentialand mechanisms of action of the new high-concentrationcapsaicin 8% patchP. Anand and K. Bley

British Journal of Anaesthesia107(4): 490–502 (2011)Advance Access publication 17 August 2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle Bild:

Annals of Neurosciences, Volume 15, 2008 REGULATION AND FUNCTION OF MATRIX METALLOPROTEINASES IN NERVOUS SYSTEM INJURY AND NEUROPATHIC PAIN, 94-105

http://annalsofneurosciences.org/journal/index.php/annal/article/view/94/195

http://annalsofneurosciences.org/images/18_4/page164.gif

Hier sieht man, über welchen Signalweg neuropathischer Schmerz über TRPV1 vermittelt wird, bzw. welche Regulationsmechanismen die CB-Rezeptoren auf diese Vorgänge haben. Die Eigenschaften von Endo- und Phytocannabinoiden am TRPV1 setzen sich folgendermassen zusammen:


TRPV1 (Transient Receptor Potential Cation Channel Vanilloid Type 1) - der heiß/Chili-Rezeptor


AEA – Agonist (desensibilisiert)

2-AG – Agonist (desensibilisiert)

THC – Agonist (desensibilisiert)

CBD – Agonist (desensibilisiert)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Quelle des Bildes:

https://basicmedicalkey.com/opioid-analgesics-and-antagonists/


LC= locus coerulus Neuron NMR=nucleus raphe magnum
STT=spinothalamic tract neuron
Mikroinjektionen von Cannabinoiden in die folgenden Stellen: PAG, dorsale Raphekerne, rostrale ventromediale Medulla, Amygdala, Thalamus zeigen antinozizeptive Effekte.


Endocannabinoide im absteigenden antinozizeptiven System:
In der Achse von periäquaduktalem Grau, ventromedialer Medulla und dem dorsalen Horn können CB1-Rezeptoren GABA-erge Interneurone hemmen (d.h. retrograd die Transmitterausschütuung hemmen). Somit wird die Hemmung glutamerger absteigender antinozizeptiver Neurone abgeschwächt und dieses System aktiviert. (Dis-Inhibition des antinozizeptiven PAG-RV-DH-Weges).


Quellen:
Cannabinoids in the Treatment of Epilepsy

N Engl J Med 2015; 373:1048-1058 September 10, 2015
Effects of cannabinoids and cannabinoid-enriched Cannabis extracts on TRP channels and endocannabinoid metabolic enzymes

Br J Pharmacol. 2011 Aug; 163(7): 1479–1494.

The Endocannabinoid System and its Modulation by Phytocannabinoids

Neurotherapeutics. 2015 Oct; 12(4): 692–698.
Cannabis and Cannabinoid Research, Volume 2.1, 2017

Cannabis and Pain: A Clinical Review
Pharmaceuticals 2010, 3, 2661-2673: 

The Role of Cannabinoid Receptors in the Descending Modulation of Pain

 

Text und Recherche: Daniel Schönberger, September 2019

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Interaktion

Interaktionen mit Phytocannabinoiden

 

Daniel Schönberger, Dr. Albert Ganz, Dr. Christian Steuer

 

Fachzirkel Cannabis Schweiz,

Dezember 2021

 

1. Einleitung

Seit Jahrhunderten wird Cannabis sowohl für industrielle, aber auch für medizinische Zwecke genutzt. Im ältesten Arzneibuch der Welt aus China - Pen-ts’ao ching - finden sich bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. erste Erwähnungen von Cannabis sativa als nutzbare medizinische Pflanze.{Thomas, 2016 #761;Zuardi, 2006 #764} Zu Beginn und schliesslich Mitte des 20. Jahrhunderts, wurden Cannabis und die daraus gewonnenen Produkte als verbotene Substanzen deklariert.{, 2008 #765} Erst die Entdeckung des humanen Endocannibinoid Systems in den frühen 1990er Jahren führte zu einer Remedizinalisierung der hochpotenten Arzneipflanze.{Devane, 1992 #768} Das Thema Cannabis wird sowohl im medizinischen, als auch im rekreativen Bereich immer wichtiger. Weltweit ist ein signifikanter Trend zu erkennen, der die (Teil-) Legalisierung von Cannabis sativa und aus der Pflanze gewonnen Produkten vorantreibt.{Pellechia, 2018 #477} Jedoch wenden einzelne Länder immer noch sehr unterschiedliche Gesetzgebungen an. Von totalem Verbot bis zu freiem Verkauf und Konsum ist auf der Gesetzesseite alles vertreten.{Schlag, 2020 #762;Wagner, 2021 #763;Abuhasira, 2018 #767} Aufgrund jahrzehntelanger legislativer Verbote fehlen der medizinisch-pharmazeutischen Fachwelt weitestgehend wichtige Kenntnisse zur Beratung.

Die direkte pharmakologische Beeinflussung von Endocannabinoidrezeptoren ist Gegenstand aktueller Forschung. Aus den wenigen vorhanden klinischen Daten kann bereits auf die pharmakodynamischen Wechselwirkungen zwischen Cannabis und/oder Cannabinoiden mit anderen Arzneistoffen rückgeschlossen werden. In den letzten Jahren wurden die Beeinflussung der metabolisierenden Enzymsysteme und die pharmakokinetischen Wechselwirkungen ebenfalls besser verstanden, was aber von der Fachwelt – bzgl. Cannabinoide – nur wenig wahrgenommen wurde.

Obwohl mittlerweile mehr als 100 Phytocannabionide in verschiedenen Cannabis Cultivars beschrieben worden sind,{Thomas, 2016 #761;Andre, 2016 #766;Hazekamp, 2012 #193} soll das Hauptaugenmerk dieses Artikels auf den pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Wechselwirkungen der beiden Hauptcannabinoide Δ-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) liegen, auch im Bewusstsein, dass noch eine ganze Reihe weiterer Cannabinoide, Terpene und anderer Inhaltsstoffe pharmakologisch aktiv sein können. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der Therapieform wird ebenfalls auf die Besonderheiten der Phytotherapie und die damit einhergehende Beeinflussung durch die pharmazeutische Applikationsform kurz eingegangen.

 

2. Pharmakologie der Endo- und Phytocannabinoide

 

Die Entdeckung des Endocannabinidsystems legte die Grundlage für die Bestimmung der Effekte von THC und CBD. Sowohl THC als auch CBD entfalten ihre Wirkung überwiegend durch Bindung an den Cannabinoid-1 (CB1)-Rezeptor und den Cannabinoid-2 (CB2)-Rezeptor. Diese gelten als die klassischen (Endo-) Cannabinoidrezeptoren, und sind beide G-Protein gekoppelt.{Ligresti, 2012 #771} Die endogenen Liganden (deshalb auch Endocannabinoide genannt) des CB1-Rezeptors sind primär N-Arachidonylethanolamid (AEA) - auch Anandamid (ANA) gennant - und sekundär 2-Arachidonylglycerol (2AG). 2AG wird aus Phosphatidylinositol-diphosphat (PIP2) via Diacylglycerol (DAG) unter enzymatischer Beteiligung gebildet.{Russo, 2016 #772} Über den CB1-Rezeptor werden vor allem Effekte im ZNS und im peripheren Nervensystem vermittelt. Die Liganden wirken als retrograd hemmende Signalstoffe. D.h. das postsynaptische Neuron kann durch Ausschüttung von Endocannabinoiden dem präsynaptischen Neuron zurücksignalisieren, die Ausschüttung des Neurotransmitters zurückzufahren (Bild 1).{Ohno-Shosaku, 2012 #758}

 

Bild 1: Vereinfachte Darstellung einer retrograden Hemmung; DGLα: Diacylglycerol lipase α; PLCβ: Phospholipase C β; mGluR: metabotroper Glutamatrezeptor; muskarinerger Acetylcholinrezeptor. (Adaptiert von {Ohno-Shosaku, 2014 #769})

Diese retrograde Hemmung der Transmitterfreisetzung ist ein zentraler Regulationsmechanismus im Nervensystem, der neben der Modulation der Übertragungsstärke, auch zur Modulation von Neuroplastizität dient. Dieser Wirkungsmechanismus ist nicht auf die im Bild 1 beispielhaft dargestellten Rezeptoren- und Transmittersysteme beschränkt. Der CB1-Rezeptor vermag eine grosse Anzahl von Transmittersystemen zu steuern. Der CB2-Rezeptor ist überwiegend in Organen und auf Zellen des Immunsystems, wie Monozyten, Makrophagen, B-Zellen, T-Zellen, der Milz, den Mandeln, aber auch im Gastrointestinaltrakt und darüber hinaus auch in Osteoklasten zu finden. 

Am CB2-Rezeptor entfaltet 2AG als primärer Ligand vollagonistische Aktivität. Sekundär wirkt AEA/ANA partialagonistisch. Die natürlichen Endocannabinoide, AEA und 2AG, zeigen bei den klassischen CB-Rezeptoren eine gewisse Selektivität. Die Hauptcannabinoide aus der Pflanze, THC und CBD, haben andere Eigenschaften gegenüber den Rezeptoren. THC bindet an beide Rezeptoren, und das jeweils stärker als die natürlichen Liganden. Jedoch wirkt THC weniger selektiv und ist in beiden Fällen nur ein Partialagonist. CBD greift am CB1-Rezeptor als negativer allosterischer Modulator und am CB2-Rezeptor als schwacher Agonist an. Die Bindung von CBD an diese beiden Rezeptoren ist jedoch schwach.

Darüber hinaus greifen die Endocannabinoide und Phytocannabinoide an weiteren Transportkanälen und Rezeptoren an, die nicht zum klassischen Endocannabinoidsystem gehören. Darunter zählen unter anderem transient receptor potential (TRP) Kanäle, 5-HT3 Rezeptoren, Peroxisom-Proliferator-aktivierte Rezeptoren (PPAR) und Glycin-Receptoren (GlyR).{Alsherbiny, 2018 #759} CBD inhibiert zusätzlich noch den äquilibrativen Nucleosidtransporter 1 (ENT1). Dieser Transporter ist ein Diffusionskanal für Adenosin. Die Blockade von ENT1 durch CBD könnte zu den Hauptmechanismen der Entzündungshemmung und Immunsuppression gehören, die CBD zugeschrieben werden.

Die pharmakologischen Effekte von THC sind Sedierung, Entspannung, Euphorie, Schmerzlinderung, Krampfhemmung, neuroprotektive Wirkungen, sowie Übelkeits- und Brechreizlinderung. Daneben wirkt es appetitanregend, senkt den Augeninnendruck und führt zu Tachykardie und Mundtrockenheit.{Alsherbiny, 2018 #759}

CBD wirkt dagegen entspannend und beruhigend, bzw. ausgleichend, ohne eine Rauschwirkung zu entfalten. Daneben wirkt es entzündungshemmend, antiepileptisch und, im Gegensatz zu THC, auch antipsychotisch. Dadurch kann es die psychotomimetischen Wirkungen des THC´s, wie das Triggern von Psychosen und akuten Panikzuständen, unterbinden.

Im Allgemeinen kommt eine besondere Bedeutung auch der Applikationsform zu. Beim Rauchen oder «Vapen» von Cannabis-Blüten sind zwei Punkte von essentieller Bedeutung. Erst durch die thermische Behandlung der Cannabisblüten werden die sauren Vorläufermoleküle Δ-9-Tetrahydrocannabinolsäure (THCA) und Cannabidiolsäure (CBDA) durch Decarboxylierung in die eigentliche Wirkform umgewandelt (Bild 2).{Zivovinovic, 2018 #183} Daneben führt die inhalative Anwendung zur Umgehung des «first pass-Effektes», so dass die Wirkstoffe – THC und CBD – in höherer Konzentration schneller in die Blutbahn gelangen und das ZNS beeinflussen können. In der Folge treten die pharmakodynamische Effekte im Vergleich zur oralen Anwendung von THC- und CBD-haltigen Zubereitungen, durch den schnelleren Anstieg der Plasmaspiegel, plötzlicher auf, halten aber auch im Umkehrschluss, aufgrund der schnelleren Eliminierung, weniger lange an.

 

 

3. Pharmakodynamische Interaktionen von THC und CBD

 

Die pharmakodynamischen Interaktionsprofile wurden bis heute überwiegend für THC untersucht. Über CBD sind sehr viel weniger Information in der wissenschaftlichen Literatur verfügbar. Dabei geht es überwiegend um die sedierenden, tachykarden und antihypertensiven Effekte von THC, die im Zusammenspiel mit anderen Arzneistoffen moduliert werden können.{Petri, 2018 #770}

 

3.1. Wirkungsbeeinflussung von Arzneimitteln durch THC

Verschiedene Xenobiotika und THC können sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen. Alkohol und THC verstärken sich hinsichtlich einiger Wirkungen, da beide sedierend wirken und das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Deshalb sollte beim Bedienen von Maschinen und im Strassenverkehr besondere Vorsicht gelten. Zudem kann es auch zu einer Verstärkung des emetogenen Potentials, bzw. der toxischen Effekte von Alkohol führen. Eine gleichzeitige Gabe von Anticholinergika wie Atropin und Scopolamin können die herzfrequenzsteigernden THC-Effekte verstärken. Je nach Klasse von Antidepressiva können verschiedene Effekte eintreten. Einerseits kann THC kann den antidepressiven Effekt von Selektiven Serotonin Reuptake Inhibitoren (SSRI) verstärken. Es ist wissenschaftlich wohl bekannt, dass Tricyclische Antidepressiva (TCS) an vielen Rezeptorsystemen angreifen können. Neben der Blockade von Serotonin- und Noradrenalin-Reuptake-Sites, wirken sie anticholinerg (Nebenwirkungen Mundtrockenheit und Tachykardie), blockieren Alpha-1 Rezeptoren (Blutdrucksenkung und orthostatische Dysregulation) und sind H1-Antagonisten (Sedierung). Die gleichzeitige Einnahme von THC mit TCAs, kann deswegen alle diese gemeinsamen Nebenwirkungen akzentuieren. Generell werden blutdrucksenkende Effekte von Antihypertonika verstärkt und die herzfrequenzsenkende Wirkung von beta-Blockern vermindert. Auch kann THC den Effekt von Glaukommedikamenten positiv beeinflussen, d.h. die augendrucksenkende Wirkung weiter verstärken. Obwohl THC Effekte auf den Stoffwechsel hat, scheinen diese in üblichen Dosen die Insulinsensitivität und die Glucosetoleranz nicht sehr stark zu beeinflussen. Deutliche Effekte auf den Blutzuckerspiegel sind nicht zu erwarten. Allerdings sind ungünstige Beeinflussungen des Stoffwechsels durchaus im Rahmen des Möglichen, insbesondere bei metabolisch instabilen Patienten (Verschlechterung der Insulinsekretion, der Insulinsensitivität der Rezeptoren, Verschlechterung der Blutzuckerwerte). Des Weiteren kann THC der opiatbedingten Übelkeit entgegenwirken. Die additiv atemsuppressive Wirkung von Opiaten mit Benzodiazepinen und Sedativa mit ihren Gefahren ist bekannt. Bislang sind solche Wechselwirkungen unter der Komedikation von Opiaten mit Cannabis zwar nicht beschrieben, könnten aber nach Meinung der Autoren möglich, bzw. nicht unmöglich sein, da THC ebenfalls sedierend wirkt. Es ist den Autoren unklar, ob die sedierende Wirkung von Cannabis, analog zu den Benzodiazepinen, die atemsuppressive Wirkung von Opiaten verstärkt, oder nicht. Man sollte deshalb bei der Therapieeinstellung aufmerksam auf die Atmung achten und langsam vorgehen. Die Wechselwirkung additiver Sedierung gilt auch für die Komedikation mit Benzodiazepinen. Daneben ist eine positive Auswirkung auf die antiepileptische Aktivität möglich. CBD kann zudem die antientzündliche Wirkung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) verstärken.

In Anbetracht der Tatsache, dass es neben öligen, auch alkoholischen Lösungen und Tinkturen aus der Pflanze selbst und aus reinen Cannabinoiden auf dem Markt gibt, sei an dieser Stelle nochmal auf die, in pharmazeutisch-medizinischen Kreisen hinlänglich bekannten, disulfiramartigen Nebenwirkungen mancher Medikamente hingewiesen, die durch Interaktion des Alkohols mit Disulfiram, Metronidazol oder Tinidazol, und weiteren Substanzen auftreten können.

 

Tabelle 1: Pharmakologische Interaktionen verschiedener Xenobiotaka mit THC; ↑ gemeinsame Steigerung; ↓ gemeinsame Verminderung; ↑↓ gegenseitige Neutralisierung

[24]

 

 

 

4. Pharmakokinetik, und weitere Interaktionen

 

Wie fast alle Arzneistoffe, sind auch Cannabinoide einem Phase-I-Metabolismus über verschiedene Isoenzyme des CYP450-Systems unterworfen. THC wird hauptsächlich durch die Leberenzym-Systeme Cytochrom P450 und seinen Isoenzymen 3A4 und 2C9, und CBD durch CYP 3A4 und 2C19 metabolisiert, zu geringeren Teilen auch von CYP 2C9 {Hassenberg, 2020 #757;Ujvary, 2016 #755}. Die Cannabinoide werden an verschiedenen Positionen im Molekül oxidiert, um anschliessend leichter eliminierbar zu sein. Aus THC werden teilweise aktive Metaboliten, wie 11-Hydroxy-▵9-Tetrahydrocannabinol (11-OH-THC) und durch weitere Oxidation, inaktive Metaboliten, wie 11-Nor-9-Carboxy-▵9-Tetrahydrocannabinol (THC-COOH) gebildet. Anschliessend folgt ein Phase-II-Metabolismus, wie z.B. eine Glucoronidierung, auch hier sind Cannabinoide keine Ausnahme, im Vergleich zu anderen Arzneistoffen.{Hassenberg, 2020 #757} Bei CBD sind inzwischen auch die oxidativen Abbauwege des Phase-I-Metabolismus und der nachfolgende Phase-II-Prozesse, zumindest in den Grundzügen bekannt. Aus Exkretionsstudien wurden ca. 40 oxigenierte Metaboliten aus der Phase-I charakterisiert. Die Hauptmetaboliten entstehen dabei durch Oxidation der zentralen C-3′′-Methylengruppe der Pentylseitenkette. Dabei entsteht 3′′-OH-CBD. Ein anderer Weg, ist die Oxidation der allylischen C-7-Methylgrupe zu einem primären Alkohol, zu 7-OH-CBD. Dieser wird dann weiteroxidiert zu 7-Carboxy-Cannabidiol, 7-COOH-CBD. Die Forschung über die pharmakologischen Aktivitäten der Metaboliten steckt jedoch noch in einer frühen Phase, so dass es bislang nur wenig gesichertes Wissen darüber gibt. Der 7-OH-Metabolit und der 7-COOH-Metabolit von CBD, haben jedoch in Tierexperimenten an Mäusen, bereits antientzündliche Effekte gezeigt.{Ujvary, 2016 #755}

 

Bild 2: Transformation der sauren Vorläufer THCA und CBDA durch Decarboxylierung unter Hitze zu THC und CBD und die Oxidierung durch das humane CYP450-System.

 

Beim Abbau von Arzneimitteln über das gleiche CYP450-Isoenzym sind Konkurrenzeffekte möglich. Kritischer sind im Allgemeinen Wechselwirkungen durch die Induktion oder Inhibition verschiedener CYP450-Isoenzyme zu bewerten. Daten zur CYP-Induktion bzw. CYP-Inhibition durch verschiedene Arzneistoffe wurden der Flockhart Tabelle entnommen.{Flockhart, (2007) #773}

 

​4.1. CYP Inhibition und Induktion durch THC und CBD:

Die beiden Cannabinoide THC und CBD können verschiedene CYP Isoenzyme in ihrer Aktivität inhibieren.{Stout, 2014 #754;Jiang, 2011 #756} THC kann sowohl CYP2C9, als auch CYP2D6, moderat hemmen Daneben zeigt es einen schwächeren inhibierenden Effekt auf CYP3A4. CBD dagegen hemmt sowohl die vorher genannten Enzyme und zusätzlich noch CYP2C19. Neben den inhibierenden Effekten, verursacht durch die beiden Hauptcannabinoide, muss ein etwaiger induzierender Effekt durch die Applikationsform ebenfalls berücksichtigt werden. Die orale Einnahme (Lösung, orales Spray, Kapseln), ist in der Schweiz die einzige zugelassene Applikationsform, da unverarbeitete Cannabisblüten nicht als Arzneimittel zugelassen sind. Zurzeit sind nur Fertigarzneimittel oder Rezepturen auf Basis von Extrakten oder Reinsubstanzen verkehrsfähig. Auch in Österreich dürfen Blüten nicht als Arzneimittel benutzt werden. In anderen Ländern, wie z.B. [SC1] in Deutschland, sind jedoch neben oralen Einnahmeformen, auch Cannabisblüten als Arzneimittel im Handel. Vaporizer als Medizinprodukte zur Einnahme per Inhalation sind zugelassen. Allerdings wird medizinisches Cannabis von manchen Patienten pur, oder auch mit Tabak, geraucht. Auch in den USA werden, neben der oralen Einnahme, das Vaporisieren und das Rauchen von medizinischem Cannabis praktiziert. Die Induktion von CYP 1A2 durch Rauchen findet in erster Linie durch Verbrennungsprodukte, wie polycyclische Aromaten statt, ganz unabhängig davon, ob dabei Tabak, Cannabis oder anderes Pflanzenmaterial verglüht wird.{Antoniou, 2020 #753} Dieser Effekt ist bereits bei 2 Zigaretten oder Joints pro Woche zu erwarten. Beim Benutzen von Vaporizern, ist die Lage bislang nicht untersucht. Aber Untersuchungen ähnlicher Anwendungsmethoden im Bereich des Tabakrauchens, legen nahe, dass die Benutzung von Vaporizern wahrscheinlich zu keiner Induktion führen wird, denn bei rauchfreien Zigarettenersatzprodukten (tobacco heatings systems – THS), wie IQOS und HEET, wo der Tabak nicht verbrannt, sondern verbrennungsfrei erhitzt wird (sozusagen geröstet), ist beschrieben, dass die CYP 1A2-Aktivität nach Umstellung von normalen Zigaretten auf THS innerhalb weniger Tage wieder auf das Niveau von Nichtrauchern zurückgeht.{van der Plas, 2020 #752} Da die Induktion von CYP1A2 nicht durch die Cannabinoide oder andere Pflanzeninhaltsstoffe, sondern nur durch Verbrennungsprodukte zustande kommt, ist diese Wechselwirkung bei der oralen Einnahme von Cannabinnoiden nicht zu erwarten.

 

4.2. Arzneimittel als CYP 1A2 Substrate:

Aminophyllin, Koffein, Clozapin, Duloxetin, Estradiol, Estrogene, Flutamid, Fluvoxamin, Frovatriptan, Lidocaine, Melatonin, Mexiletin, Mirtazapin, Olanzapin, Propranolol, Ramelteon, Rasagilin, Ropinirol, Theophyllin, Tizanidin, Triamteren, trizyklische Antidepressiva, Zolmitriptan

 

Es muss angenommen werden, dass durch die erhöhte CYP1A2 Aktivität die oben genannten Arzneistoffe schneller und effizienter abgebaut werden. Dieser Effekt ist mit aller Wahrscheinlichkeit ausschliesslich auf die Aktivierung durch das Rauchen zurückzuführen, und nicht primär auf eine Induktion durch Cannabinoide. Andererseits kann Rauchabstinenz, oder der Umstieg auf Vaporizer oder Produkte zur Einnahme per os, zum Abfallen der CYP1A2-Aktivität führen. Dieser Abfall erfolgt mitunter innerhalb weniger Tage und resultiert in einem Anstieg der Plasmaspiegel der oben aufgelisteten Arzneimittel und in der Folge in einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen und Intoxikationen. Als besonders kritische Beispiele seien hier Theophyllin und Clozapin zu nennen, beide Substanzen habe eine geringe therapeutische Breite. Der Abbau von Theophyllin wird durch Rauchen von Cannabis beschleunigt. Daher sind möglicherweise höhere Dosen von Theophyllin erforderlich, bzw. eine Anpassung der Dosisintervalle notwendig. Bei einem möglichen Rauchstopp unter Theophyllintherapie muss die Dosis von Theophyllin gesenkt werden, da ansonsten mit einem erhöhten Intoxikationsrisiko zu rechnen ist. Unter Clozapintherapie ist ebenfalls eine Dosisreduktion bei Rauchstopp erforderlich, da ein erhöhtes Risiko für Agranulozytose, verlängertes QT-Intervall, oder weitere Senkung der Krampfschwelle zu erwarten sind.

 

 

​4.3. Arzneimittel als CYP 3A4 Substrate

Kritische/problematische/toxische Interaktionen mit CYP 3A4 Inhibitoren sind bekannt von den folgenden Substraten:

Alfuzosin, Alprazolam, Budesonid, Carbamazepin, Colchicin, Cyclosporin, Dexamethason, Diphenhydramin, Disopyramid, Ergotamin (und andere Ergot-Alkaloide), Fluticason, Fovastatin, Methylprednisolon, Midazolam (oral), Pimozid, Chinidin, Repaglinid, Rifabutin, Sildenafil, Simvastatin, Tadalafil, Triazolam, tricyclische Antidepressiva, Vardenafil, Vinblastin, Vincristin

 

Von diesen Medikamenten wird bei gleichzeitigen Einnahmen von THC/CBD ein langsamerer Abbau, verstärkte Nebenwirkungen und eine raschere Erreichung der toxischen Grenze erwartet, bzw. eine verlängerte Wirkdauer. Die Dosierung muss unter Umständen angepasst, d.h. vermindert werden.{Horn, 2015 #760}

 

4.3.1. Starke CYP3A4 Induktoren:

Bosentan, Carbamazepin, Dexamethason, Enzalutamid, Etravirin, Fosphenytoin, Nevirapin, Oxcarbazenpin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Rifabutin, Rifampin, Rifapentin, Johanniskraut

 

Eine Vielzahl von Medikamente können CYP3A4 anregen. Eine Induktion von CYP3A4 durch obige Arzneistoffe führt zu niedrigeren Plasmaspiegeln von THC und CBD.

 

4.3.2. Starke CYP 3A4 Inhibitoren:

Atazanavir, Clarithromycin (nicht Azithromycin), Cobicistat, Darunavir, Efavirenz, Fosamprenavir, Grapefruitsaft, Idelalisib, Imatinib, Indinavir, Isoniazid, Itraconazol, Ketoconazol, Lopinavir, Mifepriston, Nefazodon, Nelfinavir, Ombitasvir, Paritaprevir, Ritonavir, Posaconazol, Saquinavir, Telaprevir, Telithromycin, Tipranavir, Verapamil, Voriconazol

 

Hier ist eine additive Hemmung bis zur Potenzierung anzunehmen, so dass die Cannabinoide stärker wirken, bzw. schlechter toleriert werden.

 

 

 

4.4. Arzneimittel als CYP2C9 Substrate:

Kritische/problematische/toxische Interaktionen mit CYP2C9 Inhibitoren sind bekannt von den folgenden Substraten:

Amitriptylin, Apixaban, Azilsartan, Bosentan, Candesartan, Carvedilol, Celecoxib, Clopidogrel, Diclofenac, Diphenhydramin, Etodolac, Febuxostat, Fluoxetin, Fluvastatin, Formoterol, Glimepirid, Losartan, Ibuprofen, Indomethacin, Irbesartan, Isotretinoin, Mefenaminsäure, Meloxicam, Methadon, Montelukast, Nateglinid, Naproxen, Prasugrel, Phenobarbital, Phenprocumon, Phenytoin, Piroxicam, Pitavastatin, Rosiglitazone, Rosuvastatin, Tamoxifen, Terbinafin, Tolbutamid, Torasemide, TCA, Valproinsäure, Vardenafil, Voriconazol, Warfarin, Zafirlukast

 

Bei all diesen Wirkstoffen ist eine Wirkungsverstärkung anzunehmen und die Dosierung bei gleichzeitigem CBD Konsum zu kontrollieren. Insbesondere die Interaktion mit Phenprocoumon und Warfarin über CYP2C9, ist als potentiell sehr problematisch zu beachten. Der gleichzeitige Einsatz von Phenytoin und Celecoxib gilt ebenfalls als kritisch, und eine klinische Überwachung ist durchaus angezeigt.

 

4.4.1.Starke CYP2C9 Induktoren:

Barbiturate, Bosentan, Carbamazepin, Phenytoin, Rifabutin, Rifampin, Rifapentin, Johanniskraut

Da CBD CYP2C9 eher hemmt, sind die Auswirkungen auf die Biotransformation schwer vorhersehbar, da sich die Effekte entgegenstehen. Allerdings ist mit erniedrigten Spiegeln von THC zu rechnen, bzw. mit einer kürzeren Wirkdauer.

 

4.4.2. Starke CYP2C9 Inhibitoren:

Amiodarone, Capecitabin, Cimetidin, Clopidogrel, Delavirdin, Disulfiram, Fluconazol, Fluorouracil, Gemfibrozil, Ibuprofen, Indometacin, Mefenaminsäure, Metronidazol, Phenytoin, Piroxicam, Sulfadiazin, Sulfamethoxazol, Tolbutamid, Valproinsäure, Voriconazol

 

Die Verstärkung der Inhibition durch CBD kann bei den Medikamenten mit geringer toxischer Grenze kritisch werden. Auch der Effekt von THC kann verstärkt und verlängert werden.

 

 

4.5. Arzneimittel als CYP2C19 Substrate:

Kritische/problematische/toxische Interaktionen mit CYP2C19 Inhibitoren sind bekannt von den folgenden Substraten:

Amitriptylin, Citalopram, Clomipramin, Clopidogrel (Prodrug), Cyclophosphamid, Fluvastatin, Imipramin, Indomethacin, Lansoprazole, Moclobemid, Nelfinavir, Omeprazol, Pantoprazol, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Progesteron, Proguanil, Propranolol, tricyclische Antidepressiva, Warfarin

 

CBD hemmt den Abbau dieser Substanzen und wird auch gleichzeitig über dieses Enzym abgebaut. Andererseits kann es, durch abgeschwächte Bioaktivierung, eine Therapie mit dem Prodrug Clopidogrel unzuverlässig machen, so dass keine ausreichende Thrombozytenaggregationshemmung mehr erreicht werden kann. Als Vorsichtsmassnahme soll z.B. analog keine Komedikation von Clopidogrel mit Omeprazol erfolgen.{Klein, 2018 #751} Solange keine Daten vorliegen, sollte in Anbetracht dessen aus Vorsichtsgründen, Clopidogrel nicht mit CBD kombiniert werden.

 

 

4.5.1. Starke CYP2C19 Induktoren:

Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin, Primidon, Rifampin, Rifapentin, Johanniskraut

Insbesondere durch Arzneimittel, die über längere Zeiträume verwendet werden (zur Tuberkulosetherapie) können die Wirkung Substanzen, die gleichzeitig über CYP 2C19 metabolisiert werden, verändern, da die Induktion der hier angegebenen Substanzen durch die inhibitorische Wirkung von CBD abgeschwächt werden kann. Das umgekehrte Problem tritt dann beim Absetzen der Substanzen auf (Ende einer Tuberkulosetherapie). Gleichzeitig kann die Wirkung von CBD stark abgeschwächt werden, oder es kann seine Wirkung verlieren, besonders wenn es in tiefer Dosierung gegeben wird.

 

4.5.2. Starke CYP2C19 Inhibitoren:

Chloramphenicol, Cimetidin, Clopidogrel (Prodrug), Delavirdin, Efavirenz, Esomeprazol, Felbamat, Fluconazol, Fluoxetin, Fluvoxamin, Isoniazid, Modafinil, Omeprazol, Ticlopidin, Voriconazol

 

Da hier das Abbauenzym von CBD gehemmt wird, ist eine Erhöhung der Spiegel von CBD zu erwarten. THC-Spiegel werden hiervon nicht betroffen.

 

 

4.6. Arzneimittel als CYP2D6 Substrate:

Aripiprazol, Atomoxetin, Codein (O-Demethylierung über CYP2D6 zu Morphin), Desipramin, Dextromethorphan, Dihydrocodein, Imipramin, Metoprolol, Nebivolol, Perphenazin, Propafenon, Risperidon, Tamoxifen (Prodrug), Timolol, Tramadol, tricyclische Antidepressiva, Venlafaxin, Vortioxetin, Thioridazin

 

Die Hemmung von CYP2D6 durch CBD ist deutlich, die durch THC mittel stark, was zu Unverträglichkeiten führen kann. Die genetische Variabilität von CYP2D6 ist zudem sehr gross und schwankt um den Faktor 10. Diese Variabilität ist, im Vergleich, bei den anderen, vorher erwähnten Isoenzymen weniger ausgeprägt. Allerdings wird CYP2D6 vergleichsweise weniger stark in der Leber exprimiert, so dass Interaktionen auf diesem Weg teilweise eine geringere Relevanz haben, insbesondere wenn die betroffene Substanz gleichzeitig auch noch von einem anderen CYP450-Isonenzym metabolisiert wird. Nichtsdestotrotz können in verschiedenen therapeutischen Szenarien Wechselwirkungen problematisch sein (Betablocker, Antiarrhytmika, trizyklische Antidepressiva, klassische Neuroleptika).{Reinecke K., 2012 #748} Tamoxifen ist ebenfalls ein Prodrug, das durch CYP2D6 bioaktiviert wird. Die Wirksamkeit einer solchen Behandlung kann durch eine Therapie mit Cannabinoiden nachteilig beeinflusst werden. Auch die schmerzstillende Wirkung von Codein und Tramadol kann beeinträchtigt werden, da eine Hemmung von CYP2D6 die O-Demethylierung von Codein zu Morphin unterdrückt. Auch Tramadol wird über CYP2D6 bioaktiviert, so dass hier eine Schmerztherapie an Wirksamkeit einbüssen, oder unwirksam werden kann.{Reinecke K., 2012 #748}

 

 

4.7. Äquilibrativer Nucleosidtransporter (ENT1)

Kritische/problematische/toxische Interaktionen mit ENT1 Substraten:

Azacitidin, Capecitabin, Cladribin, Clofarabin, Cytarabin, Decitabin, Didanosid, Fialuridin, 5-Fluoruracil, Fludarabin, Gemcitabin, Mercaptopurin, Nelarabin, Pentostatin, Remdesivir, Ribavirin, Zalcitabin, Zidovudin, 5-Deoxy-5-Fluoruracil

 

Der ENT1 ist ein Diffusionskanal für Adenosin. Auf seiner Hemmung beruht einer der Hauptmechanismen der Entzündungshemmung und Immunsuppression durch CBD. Ausserdem wird Adenosin als injizierbares Arzneimittel zur Behandlung von supraventrikulären Tachykardien in (peri)operativen und intensivmedizinischen Settings benutzt. Die Hemmung des ENT1 könnte folglich die antiarrhythmischen Eigenschaften von CBD erklären. Der ENT1 transportiert Adenosin aus dem Blut einwärts in die Zellen.{Anderson, 1999 #746} D.h., das damit aus dem Blut entfernte Adenosin steht nicht mehr an den aussenseitig lokalisierten Rezeptoren der Zellen zur Verfügung. CBD hemmt den ENT1, wodurch mehr Adenosin im Blut verbleibt und an den Rezeptoren an der Aussenseite der Zellen wirken kann. Das ist die wahrscheinliche Grundlage der folgenden Effekte von CBD: Hemmung der Reizleitung am Herzen, Herzblock, Vasodilatation, Entzündungshemmung.

ENT1 fungiert auch für andere Arzneimittelmoleküle, die DNA-Basen ähneln, als zelleinwärts gerichteter Transportkanal. Verschiedene Nukleosidanaloga die zur Therapie von Krebs, Hepatitis C und HIV angewandt werden, müssen an ihren intrazellulären Wirkort gelangen. Es ist noch nicht klar nachvollziehbar, welchen Einfluss die Hemmung von ENT1 auf die Verteilung der betroffenen Arzneistoffe hat, und welche klinisch-therapeutischen Konsequenzen daraus resultieren. Da es sich jedoch um Arzneimittel für kritische Erkrankungen handelt, sollte man vorsichtig sein und den Therapieverlauf des Patienten, unter einer Kombination mit Cannabis oder CBD, engmaschig und gründlich überwachen, damit eventuelle Verschlechterungen umgehend erkannt werden. Prinzipielle Vorsicht ist hier ratsam, zumindest solange diese Interaktion nicht genauer erforscht oder bewertet ist.{Bicket, 2016 #745;Eltzschig, 2009 #744;Carrier, 2006 #743}[SC2] 

Die im Jahr 2020 berühmt gewordene Substanz Remdesivir, ist ebenfalls ein Nukleosid-Analogon. Es wird durch Dephosphorylierung in seinen aktiven Metaboliten GS-441 524 überführt. Aufgrund seiner chemischen Struktur, ist zu erwarten, dass dieser wahrscheinlich eher durch den «concentrative nucleoside transporter 2» (CNT2) transportiert wird, und ENT1 (und ENT2) wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielt. Zur Zeit lässt sich noch nicht einschätzen, ob es mit CBD zu einer Wechselwirkung klinischer Relevanz kommen könnte.{Scherf-Clavel, 2020 #979}

 

5. Hepatotoxizität von Cannabis, THC und CBD:

 

Die Liste der Medikamente, die schädigend auf die Leber wirken, ist lang und reicht von den bekanntesten Vertretern – Paracetamol, Statine – bis hin zu Ibuprofen, Estrogen und Acarbose. Auch bei den Arzneipflanzen finden sich im Apothekenalltag bekannte Vertreter - Baldrian, Traubensilberkerze und Wallwurz -, die für leberschädigende Wirkungen bekannt sind.{Stickel, 2005 #749;Lee, 2003 #750} Eine gegenseitige Verstärkung der Nebenwirkung ist durchaus möglich, jedoch sind diese bislang für Cannabis und Cannabinoide nicht genau untersucht. Beim Konsum von Cannabisblüten, sowie Vollextrakten, nimmt der Patient auch viele Begleitstoffe zu sich, die zum grossen Teil zur Gruppe der Terpene gehören, die ebenfalls hepatotoxisch wirken können.{Zarybnicky, 2018 #741;Russo, 2011 #194;Russo, 2003 #196} Unter einer Epidiolex® Therapie – aus Cannabis extrahiertes und aufgereinigtes CBD – ist, laut Produktinformation, eine periodische Überprüfung der Leberwerte notwendig. Besonders die gleichzeitige Anwendung der Antikonvulsiva Valproat und Clobazam rechtfertigen eine engmaschige Kontrolle der Leberfunktion, da erhöhte Aspartat-Aminotransferase (AST) und Alanin-Aminotransferase (ALT)-Werte bereits beobachtet wurden. Bei anderen Antikonvulsiva ist z. Zt. wenig bekannt, aber es ist zu raten auch hier die Leberwerte regelmässig kontrollieren zu lassen.{Gaston, 2017 #740}

Die potentielle Hepatotoxizität von (chronischem) Cannabiskonsum bei Hepatitis C-Patienten ist ebenfalls belegt. Es handelte sich dabei meistens um rekreativen Konsum, aber die Implikationen, bezogen auf Cannabispatienten, zeigen sich klar. Auch hier wurden erhöhte Werte von AST, ALT und alkalischer Phosphatase (AP) gefunden. Ausserdem wurde eine erhöhte Rate von Fibrosierung festgestellt.{Ishida, 2008 #739;Borini, 2004 #738}

Andererseits wurde in verschiedenen Mausmodellen, eine protektive Wirkung von CBD bei hepatischer Enzephalopathie nachgewiesen.{Avraham, 2011 #737} Jedoch bleibt die Studienlage insgesamt widersprüchlich und unübersichtlich.{Ewing, 2019 #736} Schädigende Effekte auf die Leber sind bei reinen Phytocannabinoiden (THC, CBD), Vollextrakten und dem Rauchen von Cannabisblüten möglich und in der offizinellen Beratung zu beachten.

 

Aus der Praxis wichtige Arzneistoffe sind (Liste unvollständig):

Acarbose, Acetylsalicylsäure, Allopurinol, Amitriptylin, Amoxicillin/Clavulansäure, anabole Steroide, Azathioprin, Bupropion, Captopril, Carbamazepin, Chlorpromazin, Clindamycin, Clopidogrel, Cyproheptadin, Cytarabin, Diclofenac, Enalapril, Erythromycin, Estrogen, Fosinopril, Fluoxetin, Flutamid, Ibuprofen, Irbesartan, Ison iazid, Ketoconazol, Lisinopril, Losartan, Nefazodon, Nevirapin, Nitrofurantoin, Paracetamol, Paroxetin, Phenobarbital, Phenothiazine, Phenytoin, Pyrazinamid, Rifampicin, Risperidon, Ritonavir, Sertralin, Statine, Sulfonamide, Sulindac, Terbinafin, Tetracycline, Trazodon, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, trizyklische Antidepressiva, Trovafloxacin, Valproinsäure, Verapamil

 

Aus der Praxis wichtige Heilpflanzen sind (Liste unvollständig):

Amerikanische Faulbaumrinde (Rhamnus purshianus), Baldrian (Valeriana officinalis), Gemeiner Beinwell/Wallwurz (Symphytum officinale), Kava-Kava (Piper methysticum), Pestwurz (Petasites hybridus) – ausser Extrakten ohne Pyrrolizidinalkaloide, Sägepalme (Serenoa repens), Schöllkraut (Chelidonium majus), Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) [30, 31]

 

6. Zusammenfassung und Ausblick

 

Um die therapeutische Wirksamkeit der Arzneipflanze und Phytocannabinoide voll ausnutzen zu können, müssen zwingend die Interaktionsmöglichkeiten mit Xenobiotika bekannt und in Einklang mit der bestehenden Arzneimitteltherapie gebracht werden. Dieser Artikel beschreibt die gebräuchlichsten Interaktionsprofile, die für Ärzte in der Praxis und Apotheker in der Offizin für ihre tägliche Beratung von essentiellem Nutzen sein können/sollen.

Daniel Schönberger

Zürich, April 2022

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Besonderen Dank für die Realisation der Übersichtsarbeit über Cannabis-Interaktionen gehrt an Dr. Christian Steuer, ETH Zürich, Departement für Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Computer-Assisted Drug Design, 8093 Zürich für seine Anregungen, wohlwollende Kritik, stete Unterstützung und Korrekturen.

Interaktions-Artikel

Ergänzung betreffend das ebenfalls neue Covid-19-Medikament Paxlovid:

Paxlovid wurde von der Phamamunternehmen Pfizer entwickelt und kam als Medikament zur Behandlung von Covid-19 in den USA im Dezember 2021 per Notfallzulassung und in der EU im Januar 2022 mit bedingter Zulassung auf den Markt. Es enthält die Wirkstoffe Nirmatrelvir und Ritonavir in getrennten Tabletten (zur gleichzeitigen Einnahme).

Nirmatrelvir ist ein Substrat an CYP3A4 und hat eine kurze Halbwertszeit. Das führt zu einer suboptimalen therapeutischen Exposition. Deshalb wird es mit dem Wirkstoff Ritonavir kombiniert. Dieser ist für seine potente CYP3A4-Hemmung bekannt und wird in dieser Kombination als pharmakokinetischer Enhancer verwendet, um die Wirkung von Nirmatrelvir zu verbessern.

Nirmatrelvir ist ein Substrat an CYP3A4.
Nirmatrelvir hat keine Interaktion mit humanen ENT1 oder ENT2 Transportern.
Ritonavir ist ein CYP3A4-Hemmer, der in unserem Artikel auch dort aufgeführt ist.

Quellen:
Florian Lemaitre et al.
Therapie. 2022 September-October; 77(5): 509–521
Management of drug-drug interactions with nirmatrelvir/ritonavir in patients treated for Covid-19: Guidelines from the French Society of Pharmacology and Therapeutics (SFPT)
Published online 2022 Apr 20. doi: 10.1016/j.therap.2022.03.005
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9020499/


Raymond K. Hau, Stephen H. Wright, Nathan J. Cherrington
Clin Transl Sci. 2022 Jul; 15(7): 1599–1605
PF-07321332 (Nirmatrelvir) does not interact with human ENT1 or ENT2: Implications for COVID-19 patients
Published online 2022 May 16. doi: 10.1111/cts.13292
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9283746/

Obwohl es nicht Thema unseres Artikels ist, verweisen wir für weitere Informationen zu den Interaktionen von Paxlovid auf die Seite des NIH und deren COVID-19 Treatment Guidelines:
https://www.covid19treatmentguidelines.nih.gov/therapies/antivirals-including-antibody-products/ritonavir-boosted-nirmatrelvir--paxlovid-/paxlovid-drug-drug-interactions/

Daniel Schönberger, April 2023

Cannabis Extraktionsmethoden

 

Für die Gewinnung der Wirkstoffe aus der Cannabis Pflanze werden in der Regel die weiblichen Blüten verwendet, da sie wegen ihrer zahlreichen Drüsenhaaren am meisten Wirkstoffe enthalten. Es kann aber auch die ganze Pflanze verwendet werden.

 

Für die Extraktion muss beachtet werden:

  • Die Cannabinoide liegen in der Pflanze als Carbonsäuren vor, die entweder durch Wärme oder enzymatisch abgespalten werden muss.

  • Carbonsäuren sind sehr lipophil und werden deshalb am besten mit einem lipophilen Extraktionsmittel behandelt. Dabei gehen aber die polaren Wirkstoffe, wie gewisse Terpene und Flavonoide verloren.

  • Für Gesamtextrakte sollte mit einem leicht polaren Extraktionsmittel gearbeitet werden

Die schonendste Extraktion geschieht mit gespanntem CO2. Allerdings werden dafür industrielle Geräte benötigt.

 

Die Auftrennung der gewonnenen Cannabinoiden ist nur mit hochtechnischen Methoden möglich. Wird eine gewisse Cannabinoid-Zusammensetzung gewünscht, so ist dies einfacher durch entsprechende Züchtung der Pflanze möglich.

 

 

Methoden:

  • Buthan, Petroläther (sehr lipophil)

  • Aethyläther (lipophil)

  • Aethylalkohol (leicht polar)

  • Wasser (polar)

 

Je nach Extraktionsmittel werden Teilextrakte oder Gesamtextrakte gewonnen. Terpene und Flavonoide erscheinen nur in den Alkohol- und Wasser-Extrakten.

Werden Produkte als Gesamtextrakte bezeichnet, so muss genau kontrolliert werden, welche Extraktionsmethode verwendet wurde. Die Alkoholextraktion ist sicher die breiteste Extraktion, denn so wurden die Cannabinoide, aber auch die Terpene und Flavonoide der Pflanze enzogen. Extrakte mit  Buthan oder Petroläther enthalten schwergewichtig die lipophilen Cannabinole. Welche Extrakte die wertvolleren sind, ist medizinisch nicht abgeklärt und ist momentan mehr eine philosophische Frage.

Text Albert Ganz

August 2019

 

Extraktion
Forderungen
Erwartungen der Apothekerinnen und Apotheker an die Cannabis-Produkte

 

  1. Erwartung an die Produkte

 

Cannabis-Produkte mit einem Gehalt von unter 1% THC sind in der Apotheke erhältlich als

  • Rohstoff

  • Chemikalie oder technisches Produkt

  • Lebensmittel

  • Kosmetika

  • Gebrauchsgegenstand (z.B. Liquida für E-Zigaretten)

 

Wichtig ist immer die Angabe, ob das Produkt natürlichen oder synthetischen Ursprung hat. Eine Charge-Nummer zur Rückverfolgung und ein Ablaufdatum sind für alle in den Merkt gelangenden Produkte ein Muss. Natürlich gehen die hier geforderten Angaben weiter als die gesetzlichen Vorschriften. Apotheken wollen aber für sich in Anspruch nehmen, nur qualitativ hochstehende, wissenschaftlich abgesicherte und zuverlässige Produkte anzubieten.

 

Zudem sind die Gehaltsangaben bei den angebotenen Cannabis-Produkten widersprüchlich, irreführend und nur schwer interpretierbar. Einzig die THC-Angaben entsprechend den Vorschriften. Der angegeben THC-Gehalt bezieht sich auf das Trockengewicht der Pflanze. Für die Herstellung freiverkäuflicher Produkte dürfen nur Pflanzen, die weniger als 1% THC enthalten, verwendet werden. Oder es werden synthetische Produkte verwendet, die meistens nur aus einem einzigen Cannabinoid bestehen.

 

Bei den im Markt erhältlichen Cannabinoid Produkten ist der Wirrwarr der Gehaltsangaben gross.

Beispiel:

10% Cannabis-Öl, bzw. CBD-Öl:

Normalerweise handelt es sich um ein Neutral-Öl (z.B. Erdnussöl), das 10% eines Cannabis-Extraktes enthält. Ob es sich aber dabei um ein Gesamtextrakt oder ein Teilextrakt handelt ist oft nicht ersichtlich. Ein Gesamtextrakt enthält neben den Cannabinoiden noch Terpene, Flavonoide und weitere Substanzen. Cannabinoide sind im Vergleich zu den Teilextrakten vermindert vorhanden. Ob dies Vorteile bringt ist sehr schwer zu beantworten und ist interpretationswürdig.

Viel besser wäre die zusätzliche genaue Gehaltsangabe eines bestimmten Cannabinoids, z.B. Cannabidiol, und dessen Herkunft. Dies würde auch die Qualität des Produktes beeinflussen, denn so wäre die Konstanz und die gleichbleibende Zusammensetzung garantiert.

 

 

 

Rohstoff

 

Es können Cannabis-Pflanzenprodukte, vor allem getrocknete weibliche Blüten unter der Voraussetzung, dass sie weniger als 1% THC enthalten, angeboten und verkauft werden.

 

Für den Verkauf in den Apotheken sollten die angebotenen Produkte der Vorschriften der Pharmakopöe Helvertica 11, Suppl. 3, cannabis flos, entsprechen. Dazu sollte die Herkunft der Produkte bekannt sein.

 

Cannabis-Harz und ähnliche Produkte sind in der Schweiz nicht verkehrstfähig.

 

 

Chemikalien und technische Produkte

 

In der Regel sind verarbeitete Cannabis-Produkte Extrakte aus der Pflanze. Beispiele sind Cannabis-Duftöle. Für solche Produkte sind geringere Vorschriften einzuhalten, es wird mehr auf die Eigenverantwortung gesetzt, massgebend ist die Chemikalien-Gesetzgebung. Eine Heilanpreisung ist nicht gestattet. Dennoch wird gefordert, die Angabe folgender Nachweise und Kontrollen anzugeben:

  • Herkunft der Ausgangsprodukte

  • Abwesenheit von Pestiziden und Insektiziden

  • Angabe der verarbeiteten Pflanzenteile

  • Extraktionsmethode

  • Gesamt oder Teilextrakt

  • Monosubstanz

 

 

Lebensmittel

 

Cannabis-Produkte, die als Lebensmittel angeboten werden müssen allen Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung erfüllen. Insbesonders dürfen sie keine Heilanpreisung enthalten. Auch Produkte, die als Novel Food angemeldet werden benötigen eine entsprechende Anmeldung. Für solche Produkte, sollten sie in den Apotheken angeboten werden, erwarten die Apotheken:

  • Herkunftsangaben

  • Schadstoffkontrolle

  • Standarisierung auf einen bezeichneten Einzelstoff

  • Extraktionsmethode (Gesamt- oder Teilextrakt)

  • Verwendete Pflanzenteile

  • Unbedenklichkeitsbescheinigung

  • Begleitstoffe

 

 

Kosmetika

 

In Kosmetika können natürliche oder synthetische Cannabis-Produkte verwendet werden. Besonders der Unbedenklichkeitsnachweis ist ausschlaggebend. Anpreisungen für eine medizinische Anwendung sind nicht gestattet. Werden die Produkte in der Apotheke weiter zu Kosmetika verarbeitet, so haben sie den Vorschriften des Lebensmittelgesetzgebung zu entsprechen. Wünschbar ist eine Herkunftsbestätigung.

 

 

Gebrauchsgegenstände und als Tabakersatz

 

Beispiel eines Cannabis-haltigen Gebrauchsgegenstandes sind BD-haltige Kartuschen für E-Zigaretten oder CBD-Blüten zur Beimischung zu Tabak. Solche Produkte sind weniger in Apotheken erhältlich, da deren Gesundheitsgefährdung unklar ist. Dennoch sollten sie auch den Nachweis enthalten, wie sie für Lebensmittel gelten

 

 

 2. Cannabis Produkte als Arzneimittel

 

Nach der heutigen Gesetzgebung der Schweiz sind Cannabis-Produkte als Arzneimittel in der Apotheke nur gegen ärztliche Verschreibung als Magistral-Rezepturen erhältlich.

Die Ausgangsprodukte müssen den pharmazeutischen Vorschriften genügen. So lange nur Cannabis-Blüten in der Schweizerischen Pharmakopöe aufgeführt ist gelten für Extrakte und andere Verarbeitungen der Pflanze die Arzneibücher der EU, der USA und von Kanada. Gleizeitig wird erwartet, dass die Herstellung nach zertifizierten GMP Praktiken erfolgt, die Qualität der Produkte gewährleistet ist, was durch eine Standarisierung auf ein Cannabinoid, z.B. auf Cannabidiol angegeben wird. Nicht genügend ist die Bestätigung weniger als 1% THC. Bei THC-Produkten ist dessen genauer Gehalt anzugeben. Die Prüfung hat durch zertifizierte GLP zu erfolgen.

Geforderte Angaben:

  • GMP-Standarisierung und Zertifikat

  • GLP-Prüfung und Protokoll

  • Extraktionsmethode oder synthetische Herkunft

  • Gesamtextrakt, Teilextrakt oder Monosubstanz

  • Nachvollziehbare Inhaltsangaben

  • Herkunft der Pflanze, Standarisierung

  • Schadstoff- und Gehaltsprüfung nach GLP (Zertifikat)

  • Chargenbezeichnung zur detaillierten Rückverfolgung und Ablaufdatum

  • Begleitstoffe

  • Wirkungsnachweis

 

Liegen klinische und wissenschaftliche Untersuchungen vor, so sind diese den Apotheken zugänglich zu machen.

 

Autor: Dr. Albert Ganz, Oktober 2019

Betäubungsmittelgesetz
Das Betäubungsmittelgesetz der Schweiz

Kritik und Korrekturhinweise

 

 

Wie weit gilt die Rassismus-Norm?

 

Mit grosser Mehrheit stimmte die Schweizer Bevölkerung dem Schutz von Minderheiten zu und würde vermutlich ihn auch auf andere menschliche Formen ausweiten. Weit fortgeschritten ist auch der Schutz von Tieren. Natürlich nicht vor Diskriminierung, sondern die Tiere erhalten Schutz vor Quälereien und Unterstützung, wenn die Art erhalten werden soll. Verbote zur Tierhaltung gibt es nur zum Schutz der Tiere und beziehen sich auf den Menschen und nicht auf das Tier.

Gilt das Diskriminierungsverbot aber auch für Pflanzen? Kann eine Pflanze überhaupt diskriminiert werden? Auch hier gilt, dass dem Menschen der Umgang mit gewissen Pflanzen nicht erlaubt ist, sei es zu seiner Sicherheit oder zum Schutz der einheimischen Flora. Aber die Pflanze ist an sich nicht verboten. Eine Pflanze kann gar nicht verboten werden, nur weil sie eine Pflanze ist, auch wenn sie gewisse für den Mensch gefährliche Produkte in sich trägt.

Eine Pflanze ist niemals böse und produziert giftige Stoffe, die dem Menschen schaden. Während der Evolution produzierten Pflanzen Schutzmechanismen, seien es Stacheln, bittere Stoffe oder andere Mechanismen. Aber auch Köder und Duftstoffe wurden entwickelt, die auch zur Vermehrung oder Erhalt der Pflanze dienen. Aber böse an sich ist keine Pflanze, so dass sie mit einem Bann oder Verbot belegt werden kann. Es kann höchstens dem Menschen der Umgang mit ihr verboten werde, zum Schutz des Menschen oder der Pflanze.

Gerade eine solche Unstimmigkeit findet sich im schweizerischen Betäubungsmittelgesetz. In Artikel 8, verbotene Betäubungsmittel, werden neben Heroin (Diacetylmorphin), Rauchopium (wird aus dem Harz der Mohnkapsel hergestellt) Cannabis erwähnt, genau Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis. Cannabis ist der Name einer alten Heilpflanze mit einer grossen Palette von Wirkstoffen. Der einzige wirklich psychoaktive Wirkstoff ist Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC). Es gibt keine Betäubungsmittel des Cannabis-Typs. Es gibt auch keine Betäubungsmittel des Typs Schlafmohn, oder des Cocastrauches. Es ist das THC, das Morphin oder das Cocain. Es ist also durchaus berechtigt zu behaupten, dass die Cannabis-Pflanze diskriminiert wird. Natürlich greift hier das Diskriminierungs-Gesetz nicht. Dennoch kann gefordert werden, dass Gesetze stilistisch und semantisch korrekt formuliert sind.

Auch eine sprachliche Unkorrektheit im Betäubungsmittelgesetz ist der Hinweis, dass keine Betäubungsmittel angebaut werden dürfen. Nun man kann Apfelbäume pflanzen und dann Äpfel ernten oder Traubenstöcke setzen und dann Trauben pflücken. Aber wie pflanzt man Betäubungsmittel und wie erntet man sie. Hier wird die betäubungsmittel-enthaltende Pflanze angebaut und das Betäubungsmittel wird dann durch einen Prozess gewonnen. Geerntet bei Cannabis würde vor allem die Blüte. Betäubungsmittel können also chemisch hergestellt oder aus Pflanzen extrahiert werden, aber ein Anbau von Betäubungsmitteln ist nicht möglich, höchstens ein Anbau von Betäubungsmittel produzierenden Pflanzen.

Durch den Bann von Cannabis als verbotenes Betäubungsmittel wurde der ganze Umgang mit der Pflanze erschwert. So sind Produkte, hergestellt aus Cannabis, auch wenn sie nur sehr wenig THC enthalten, fast nicht registrierbar, auch nicht als Medikamente. Auch sind wissenschaftliche Untersuchungen, der ganze Umgang mit der Pflanze erschwert, wenn nicht verunmöglicht. Auch wenn jetzt durch bundesrätliche Änderungsvorschläge die strikten Regeln aufgeweicht werden, so besteht der Fehler im Betäubungsmittelgesetz weiter. Die Änderungen sind eher ein Flickwerk.

Der Fachzirkel Cannabis Schweiz hat es sich zum Ziel gesetzt, diesen Fehler auszumerzen. Das Wort Cannabis hat im Betäubungsmittelgesetz nichts zu suchen und sollte durch THC ersetzt werden. Überhaupt wirkt das Verbot von Substanzen eher kontraproduktiv, der Reiz wird erhöht und die Versuchung angestachelt.  Zudem können solche Substanzen in einem anderen Kontext wieder ihre Bedeutung erhalten. So kann LSD oder Psylocibin eventuell eine Indikation haben oder Heroin kann therapeutisch eingesetzt werden. Natürlich sollen die Substanzen im Betäubungsmittelgesetz verbleiben, aber der Artikel 8 des BetMG hat keine Berechtigung und sollte gesamthaft gestrichen werden.

Interessanterweise hat Swissmedic die Diskrepanz im Betäubungsmittelgesetz bereits erfasst. So wurde das Medikament als «SativexR» für spastische Krämpfe bei Patienten mit multipler Sklerose (MS) bereits vor einigen Jahren zugelassen. Wenn nun Cannabis in Art 8 des BetMG durch THC ersetzt würde dann käme Swissmedic in Bedrängnis, denn «SativexR» enthält als Wirkstoff THC. Es ist sicher spannend zu sehen, wie sich die Behörden dann verhalten

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Der Fachzirkel Cannabis Schweiz setzt sich dafür ein, dass endlich Cannabis-Produkte in pharmazeutischer Qualität hergestellt und vertrieben werden dürfen. Auch sollten die Präparate eine eindeutige Indikation haben und mit Packungsprospekt mit genauen Dosierungsanweisungen versehen werden. Der Fachzirkel hofft, dass das jüngere und aufgeschlossenere Parlament die Anregungen aufnimmt.

 

Zürich, 15. Februar 2020

 

Dr. Albert Ganz

Präsident Fachzirkel Cannabis Schweiz

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Baustelle Betäubungsmittelgesetz

 

 

Als 1951 das Betäubungsmittelgesetz in heutiger Form in Kraft gesetzt wurde, herrschte Nachkriegsstimmung, wirtschaftlicher Aufschwung und Unverständnis gegenüber Abhängigkeitserkrankungen.

 

Das 19. Jahrhundert war geprägt von weltweiten Konflikten, die immer wieder in Zusammenhang mit Opium standen. So gab es Opiumkriege, die politisch entscheidend waren. Erst 1912 wurde in einer Opiumkonferenz von 13 Teilnehmerstaaten eine Eindämmung des Konsums von Opium, Morphin, Kokain und verwandter Stoffe gefordert, da Suchterkrankungen weit verbreitet waren. 1913 ratifizierte die Schweiz das internationale Opium Abkommen von Haag, ohne dass die entsprechenden Gesetze bestanden. Die ersten Kantone, die Gesetze zur Bekämpfung des Betäubungsmittel-Missbrauchs erliessen, waren 1921/1922 die Kantone Waadt und Genf. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Schweiz das einzige Land, wo Handel und Produktion mit Betäubungsmitteln völlig frei waren. Auf internationalen D ruck reagierte der Bundesrat und beschloss am 2. Oktober 1924 das erste eidgenössische Betäubungsmittelgesetz. Cannabis war darin nicht erwähnt.

 

Bis 1950 fand weltweit eine chemische Revolution statt es wurde eine Unzahl neuer chemischen Substanzen isoliert und synthetisiert. Überall fanden Konferenzen statt, die die Regulierung von Betäubungsmittel verstärkt verlangten. In den USA wurde Cannabis als Teufelskraut bezeichnet. Verbote und strikte Kontrollen wurden gefordert, Prohibition war das Schlagwort. In Folge der veränderten Auffassung und Ansichten wurde 1951 das Betäubungsmittelgesetz revidiert und Cannabis als einzige Pflanze als verbotenes Betäubungsmittel bezeichnet. Der Zeitgeist spiegelte sich im Gesetz, Verbote bestimmten den Charakter und Abstinenz und Null-Toleranz wurden gefordert. 1975 wurde das Betäubungsmittelgesetz einer Revision unterzogen und teilweise noch verschärft. Auch der Konsum von Betäubungsmitteln wurde zur Straftat. Auf Grund der sich veränderten Drogenpolitik wurden ab 1980 immer wieder einzelne Artikel abgeschwächt und der Zeit angepasst. 2008 stimmte das Volk einer Revision des Betäubungsmittelgesetzes deutlich zu. Die neuen Vier-Säulen-Politik (Prävention, Therapie, Schadenminderung, Repression) und die heroingestützte Behandlung sollten gesetzlich verankert werden. Das revidierte Betäubungsmittelgesetz trat per 1. Juli 2011 in Kraft. Dennoch bestand der Verbot-Artikel weiter und semantische und inhaltliche Fehler wurden nicht ausgemerzt und die Absicht von der Abstinenz zur Therapie zu wechseln wurde nicht konsequent nachgegangen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

So verblieb bereits in Artikel 1, Abs. a der Gedanke zur Abstinenz und in Abs. c und d sind der Schutz im Vordergrund. Durch Abs. e wird der Konsum wieder kriminalisiert.

 

In Artikel 1a wird wohl das neue 4-Säulenprinzip erwähnt, da aber Art. 1 in Kraft blieb, hat er stark an Gewicht verloren. Wenn schon hätte bei der Revision von 2008 der erste Teil des Artikels weggelassen werden müssen.

 

 

 

 

 

 

 

Da das Heilmittelgesetz die Behandlung von Krankheiten, auch mit Betäubungsmitteln, beschreibt und regelt, ist es auf Therapie ausgerichtet. In Artikel 1b wird nun aber das Betäubungsmittelgesetz über das Heilmittelgesetz gestellt und damit werden die Absicht, bei Abhängigkeitskrankheiten Therapie vor Bestrafung zu setzen zu Nichte gemacht.

 

 

 

 

 

Eine wichtige sprachliche und inhaltliche Korrektur des BetmG wurde 2008 verpasst, indem die Bezeichnung der Betäubungsmittel nicht verändert wurde. So werden Pflanzen, Pflanzenauszüge und chemische Stoffe wild durcheinandergemischt, ohne dass eine Systematik erkenntlich wäre.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch werden die Stoffe nicht per se benannt, sondern mit dem Begriff «Wirkungstyp» versehen, was chemisch und pharmakologisch sehr verwirrlich ist. Alternativ könnte folgende Bezeichnung Morphin und seine psychoaktiven Derivate gewählt werden. Ganz falsch ist die Bezeichnung «Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis». Cannabis ist eine Pflanze und enthält als psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Wenn schon Cannabis-Inhaltsstoffe ins BetmG aufgeführt werden sollen, dann müsste es THC sein und nicht die Pflanze. Es wird auch nicht von «Betäubungsmittel des Wirkungstyps Schlafmohn» gesprochen, sondern von Morphin.

Ob alle abhängigkeiterzeugende Stoffe ins BetmG gehören, kann diskutiert werden. Sie werden bereits im Heilmittelgesetz gebührend behandelt.

In Artikel 3 beginnt ein Flickwerk indem die ersteren Artikel entweder verschärft oder auch abschwächt werden. Es fragt sich nun, wieso die scharfen Bestimmungen überhaupt aufgeführt werden, wenn sie sowieso wieder in vielen Fällen umgangen werden können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Abschnitt der Prävention wird hier absichtlich nicht behandelt, denn er ist gut gemeint, die Prävention wird aber immer wieder beschnitten. So werden immer wieder Kontrollmassnahmen, Registrierungen und Überwachung gefordert. Gerade das Kontrollsystem behindert eine adäquate Therapie, auch wenn Patientendaten anonymisiert werden. Auch dass die Therapie von Abhängigkeitserkrankungen mit Betäubungsmitteln meldepflichtig ist, stört Therapeuten und Patienten. Wenn auch solche Behandlungen auf Fachleute und spezialisierten Institutionen eigeschränkt sind, sollte die Dokumentationspflicht nicht überhandnehmen.

Ein sehr einschneidender Artikel im BetmG ist der Artikel 8, Verbotene Betäubungsmittel

 

 

 

 

 

 

Anschliessend an diesen Artikel werden Details für deren Herstellung, Vertrieb usw. beschrieben. Zudem folgen die Bestimmungen für Ausnahmebewilligungen. So kann Heroin und LSD mit einer Sonderbewilligung für therapeutische Massnahmen eingesetzt werden. Absurd ist die Erwähnung von «Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis». Schon sprachlich ist dies ein Unding, wenn schon hätte THC erwähnt werden sollen. Völlig absurd ist es, wenn der Anbau von verbotenen Betäubungsmitteln verboten wird. Ein Betäubungsmittel kann nicht angebaut werden, sondern es kann aus Pflanzen extrahiert oder chemisch synthetisiert werden. Dieser sprachliche Unsinn zieht sich durch das ganze BetmG und bedarf dringend einer Korrektur.

Rauchopium spielt in der Drogenszene nur noch eine marginale Rolle. Da der Wirkstoff darin, Morphin, im BetmG weitgehend kontrolliert wird, ist seine Erwähnung nicht mehr notwendig. Bei allen anderen Wirkstoffen bestehen Ausnahme-Artikel, so dass die Frage nach der Notwendigkeit dieses Artikels berechtigt ist. Eine generelle Streichung von Art. 8 würde den Umgang mit Betäubungsmitteln sehr erleichtern.

Das BetmG befasst sich anschliessend detailliert mit dem Umgang von Betäubungsmitteln, von Fachpersonen und Institutionen, vom Handel, von Ausfuhr und Import. All diese Artikel benötigen auch eine kritische Begutachtung und einer Überarbeitung. Dies hier zu behandeln würde zu weit führen.

 

 

Zürich, 1. März 2020

Albert Ganz

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